Im beruflichen Kontext begegnen wir immer wieder Menschen, deren Verhalten uns herausfordert. Die eine Kollegin, die ständig nach Anerkennung sucht. Der Mitarbeiter, der auf jede Kritik überempfindlich reagiert. Die Vorgesetzte, die über alles die Kontrolle behalten will und zu Mikromanagement neigt. Schnell versuchen wir dann, solche Verhaltensweisen zu bewerten und als „übertrieben“, „unangemessen“ oder gar „manipulativ“ zu bezeichnen.
Was wäre, wenn wir den Blickwinkel einmal ändern. Wenn genau dieses Verhalten kein Täuschungsmanöver ist, sondern der Ausdruck eines echten und tief verankerten Bedürfnisses?
In der körperorientierten, achtsamkeitsbasierten Hakomi-Therapie schauen wir auf Bewertungen dieser Art mit einer anderen Brille.
Diese Haltung verändert einfach alles. Statt das Verhalten unseres Gegenübers zu pathologisieren oder zu korrigieren, lädt Hakomi dazu ein, mit Neugierde dahinter zu schauen. Denn jedes Verhalten hat eine Funktion, auch das scheinbar störende. Es schützt, reguliert, sichert Bindung oder Anerkennung. Es ist für den Menschen der beste verfügbare Weg, um mit der inneren Welt in Beziehung zu bleiben.
In der Hakomi-Arbeit geht es darum, mit Achtsamkeit nach innen zu lauschen. Was wird hier eigentlich gebraucht? Was wurde vielleicht früher nie erfüllt?
Überlebensstrategien aus der Kindheit
In der Hakomi-Therapie-Ausbildung befassen wir uns mit der Charakterstudie, welche auf der Annahme aufbaut, dass sich aus frühen Beziehungserfahrungen sogenannte Charakterhaltungen entwickeln. Das sind Muster, mit denen wir (in frühen Jahren) gelernt haben, in der Welt zurechtzukommen. Diese Muster sind keine Fehler, sondern intelligente Anpassungen des Systems an das, was damals möglich oder notwendig war.
Was heißt das für den Businesskontext?
Wenn wir Führung, Zusammenarbeit und Veränderung gestalten, lohnt sich dieser Blick unter die Oberfläche:
- Der „unmotivierte“ Mitarbeiter ist vielleicht nicht faul, sondern frustriert, weil sein Bedürfnis nach Wirksamkeit nicht erfüllt wird.
- Die „komplizierte“ Kollegin braucht vielleicht Klarheit, weil sie sich sonst unsicher und ausgeschlossen fühlt.
- Die „dominante“ Chefin sehnt sich nach Kontrolle, weil Vertrauen für sie mit Kontrollverlust verknüpft ist.
Der Ansatz der Achtsamkeit, wie sie in der Hakomi-Therapie praktiziert wird, ist kein esoterisches, sondern ein zentraler Zugang, um in Teams und Organisationen nachhaltige Veränderung zu ermöglichen.
„Jeder Mensch hat tief in seinem Inneren das Bedürfnis, verstanden, bestätigt und geschätzt zu werden.“ (Stephen R. Covey)
Am Ende geht es um Haltung.
Wenn wir erkennen, dass hinter jedem Verhalten ein echtes Bedürfnis steht, verändert sich unsere Haltung. Wir beginnen, mit mehr Empathie zuzuhören und stellen andere Fragen. Wir führen anders und wir schaffen Räume, in denen sich Menschen nicht verstellen müssen, sondern in Kontakt kommen – mit sich selbst und miteinander.
Denn echte Veränderung beginnt nicht mit Methoden, sondern mit Haltung. Und die beginnt mit der Anerkennung einer simplen Wahrheit:
Menschen täuschen keine Bedürfnisse vor. Bedürfnisse sind grundlegend.